Achtung Falle: Die Gemeinnützigkeit verträgt sich nicht mit einseitiger politischer Betätigung
In einem aktuellen Urteil vom 30.03.2021 hat das Finanzgericht München einem Verein, der nach seiner Satzung das öffentliche Gesundheitswesen und die öffentliche Gesundheitspflege sowie das demokratische Staatswesen fördert, die Gemeinnützigkeit entzogen. Hintergrund der Entscheidung ist, dass sich der Verein öffentlichkeitswirksam gegen die aktuellen Coronamaßnahmen der Bundesregierung positioniert hatte. Als Merksatz kann man daraus mitnehmen, dass gemeinnützige Organisationen – wie schon öfter geurteilt – keinen einseitigen Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen dürfen. Das verträgt sich nicht mit der für die Gemeinnützigkeit notwendigen Förderung der Allgemeinheit. Zulässig ist es durchaus, neutral über politische Themen zu informieren und aufzuklären, um den politischen Willensbildungsprozess zu fördern. In der Sprache des Finanzgerichts heißt das: Erlaubt ist die Diskussion politischer Fragen „in geistiger Offenheit”. Soweit es jedoch eine zu einseitige und interessengesteuerte Einflussnahme auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung wird, verlässt man den Boden des im Bereich der Gemeinnützigkeit Zulässigen.
Im konkreten Fall wurden die Veröffentlichungen des Vereins, die die Effektivität der Masken hinsichtlich des Schutzes vor Viren infrage stellten und Hinweise auf seiner Meinung nach bestehende gesundheitsschädliche Nebenwirkungen des Tragens von Gesichtsmasken sowie der Verwendung von Desinfektionsmittel für die Hände sowie eine Warnung vor einem möglichen Impfzwang noch für zulässig erachtet. Auch Aufrufe an alle ärztlichen Kolleginnen und Kollegen unter Hinweis auf körperliche und psychische Belastungen der Maskenpflicht verbunden mit der Bitte einer sorgfältigen Prüfung, ob eine Befreiung von der Maskenpflicht im Einzelfall erteilt werden könne, wurde noch als angemessen angesehen, weil nicht erkennbar sei, dass die angesprochenen Ärzte dadurch in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wurden. Ebenso ein Aufruf, Schul- und Kindergartenkinder von der Desinfizierungspflicht für Hände zu befreien. Diese Maßnahmen hielt das Gericht noch als Teil eines öffentlichen Willensbildungsprozesses für zulässig.
Überschritten wurde die Grenze nach Auffassung des Gerichts durch öffentlich formulierte politische Forderungen im Zusammenhang mit den verhängten Coronamaßnahmen. Der Verein hatte im Internet im Jahr 2020 eine undifferenzierte Forderung nach sofortiger Aufhebung aller verhängten Maßnahmen aufgestellt. Gleichzeitig forderte er die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses und verwies auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes). Die artikulierten politischen Forderungen beschränkten sich nicht darauf, den aus seiner Sicht negativen gesundheitlichen Folgen durch die einzelnen Pandemiemaßnahmen öffentlichkeitswirksam Nachdruck zu verleihen. Vielmehr trat er ein in den politischen Wettstreit um die zutreffende Strategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit triftigen Gründen für eine Maskenpflicht und die eingeleiteten Schutzmaßnahmen blieb aus.
Auch wenn der Verein noch Rechtsmittel einlegen kann (die Beschwerde beim BFH wurde zugelassen), haben andere Fälle in der Vergangenheit jedoch gezeigt, dass der einseitige Versuch politischer Einflussnahme allgemein von der Rechtsprechung als schädlich erachtet wird. Gemeinnützige Organisationen und ihre Vertreter sollten daher darauf achten, sich – wenn überhaupt – stets neutral und ausgewogen zu politischen Themen zu äußern.
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